• Eigner der Stadtwerke Düsseldorf verzichten auf Ausschüttung
  • Schwache Umsätze bestimmen das Marktgeschehen
  • Powercloud als eigene Gesellschaft verschwindet
  • Abbau fossiler Hilfen bringt Staaten Milliarden
  • Geschäftsführer in Bietigheim-Bissingen legen Posten nieder
  • Trotz Solarboom fordert Branche Reformen
  • Laufzeit von 20 Atomkraftwerken auf 50 Jahre verlängert
  • Uniper will Hunderte von Stellen streichen
  • Großer Repowerer hat Zugriff auf Milliarden Euro
  • Elektrizitätswirtschaftsgesetz geht in Begutachtung
Enerige & Management > Leserbrief - „Nur Grünstrom ist nicht automatisch besser“
Quelle: Pixabay
LESERBRIEF:
„Nur Grünstrom ist nicht automatisch besser“
Die E&M-Redaktion hat ein Leserbrief vom Forschungszentrum Jülich zu der Berichterstattung über die Stadtwerke München erreicht.
 
Am 1. Juli haben wir auf unserer Online-Plattform und am folgenden Morgen in unserem täglichen Newsletter E&M daily mit dem Titel „Münchens Strom ist zu 100 Prozent grün “ über die Stadtwerke München berichtet. Das Unternehmen teilt darin mit, dass es 2025 soviel Strom aus eigenen Erneuerbaren-Anlagen erzeugen wird, wie die Stadt verbraucht. Christoph Winkler schreibt dazu: 


Sehr geehrte Redaktion des E&M daily,

Sie machen tolle Artikel, und sonst würde ich hiervon auch gar keine Notiz nehmen. Meine Kollegen und ich lesen täglich und gern den Newsletter E&M daily, aber über das am 1. Juli extrem missverständlich formulierte Top-Thema habe ich mich wirklich geärgert, sodass ich das zumindest gern zurückmelden würde: Münchens Strom ist nicht zu 100 Prozent grün – bei Weitem nicht! Die SWM produzieren übers Jahr mittlerweile so viel und sogar leicht mehr Ökostrom, als Strom in München verbraucht wird. Und das ist unheimlich toll – umso erfreulicher, dass das Ziel so präzise über Jahre erreicht wurde!

Aber bei aller Unterstützung für eine nachhaltige Energieversorgung müssen wir transparent bleiben, denn zwei Probleme kommen gar nicht vor: Sie erwähnen zwar, dass ein großer Teil des Stroms weit entfernt (übrigens in erheblichem Umfang im Ausland) produziert wird, aber es fehlt, dass man das vielleicht bilanziell den SWM, aber nicht wirklich der Stadt München anrechnen kann.

Und selbst wenn die Netze eine – unsinnige – Münchener Nutzung dieses Stroms physikalisch zuließen, würde es die Netzentgelte erhöhen. Was also statt dem Aufkauf norwegischer Zertifikate wirklich gebraucht wird, ist verbrauchsnahe und zeitlich flexible sowie mit Speichern versehene Erzeugung – ein Problem, das natürlich, wie Sie selbst sagen, auch politisch zu verantworten war.

SWM brauchen weiterhin Kohle und Gas

Vor allem aber braucht München oder die SWM zum Beispiel im Winter weiterhin Kohle-, Gas- und Atomimportstrom! Im Artikel wird leider fälschlich behauptet: „Die kommunalen Stadtwerke können ab diesem Jahr die rund 1,5 Millionen Münchener Bürgerinnen und Bürger sowie die ansässigen Gewerbe- und Industriebetriebe mit Strom ausschließlich aus eigenen Erneuerbare-Energien-Anlagen versorgen.“

Fakt ist: Nur gut die Hälfte des Verbrauchs wird durch die SWM tatsächlich mit grünem Strom gedeckt. Denn laut eigenen Angaben (siehe Link ) lag im Gesamtstrommix der SWM im Jahr 2023 der Anteil erneuerbarer Energien bei 52,7 Prozent – davon aber etwa 84 Prozent aus dem Ausland der Europäischen Union, wenn man nach den Herkunftsnachweisen geht. Und das ist an sich schon ein problematisches Vorgehen!

Das wird zwar immer besser – was erfreulich ist –, aber es ist noch weit entfernt von den bilanziellen 100 Prozent, die sich natürlich besser vermarkten lassen. Doch gerade das Bilanzdenken trägt einen großen Teil zum Kostendilemma bei, in dem wir heute mit der Energiewende stecken.

Immer mehr Ökostrom in Zeiten und Regionen zu produzieren, in denen es leichter oder günstiger ist, ist gut für die Bilanz, aber hilft uns leider nicht oder kaum bei der Bewältigung der lokalen Probleme in der anderen Jahreshälfte. Viel zu oft wird Energie mit Leistung gleichgesetzt. Wir würden uns freuen, wenn Sie als Fachjournalisten an dieser Stelle stärker differenzieren würden. Denn nur mit einer guten Informationslage können wir die Probleme tatsächlich lösen.

Kommentar als Beitrag zur Debatte über Grünstrom

Bitte verstehen Sie diesen Kommentar als Beitrag zu einer Debatte, in dem Sinne, dass wir vor allem in der breiten Öffentlichkeit und Politik – aber manchmal sogar auch noch in der Energiebranche – mehr Bewusstsein brauchen. Bewusstsein dafür, dass mehr Grünstrom nicht automatisch besser ist, sondern dass es mittlerweile zunehmend darauf ankommt, wie wir eine emissionsarme Versorgung dort, wo sie benötigt wird, kostengünstig und auch in Zeiten niedriger Grünstromerzeugung sicherstellen können. Und Sie als E&M können dabei helfen.

Die Leistung der SWM ist beachtlich, und die Planung über 15 Jahre hinweg ist wirklich bewundernswert! Das kann man mit Recht erwähnen und würdigen. Erwähnt werden sollte aber eben auch die Zahl 52,7 Prozent – in der Hoffnung, dass auch der reale Stromverbrauchsmix der SWM und nicht nur die bilanzielle Erzeugung immer weiter grüner wird.

Wir freuen uns darauf, bei Ihnen über Fortschritte und spannende Lösungsansätze zu lesen. Herzlichen Dank für ansonsten wirklich stets sehr detaillierte, gute und aktuelle Artikel!

Christoph Winkler
Jülich Systems Analysis
Forschungszentrum Jülich GmbH
 

Redaktion
© 2025 Energie & Management GmbH
Donnerstag, 03.07.2025, 14:34 Uhr

Mehr zum Thema